Gemeinderat Filderstadt | Rede zur Haushaltsberatung 2024/2025 des Fraktionsvorsitzenden Dennis Birnstock
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Traub,
sehr geehrter Herr Erster Bürgermeister Beck,
sehr geehrte Herr Bürgermeister Theobaldt,
sehr geehrte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung,
sehr verehrte Vertreterinnen und Vertreter der Presse,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Mitglieder des Jugendgemeinderats,
liebe Einwohnerinnen und Einwohner Filderstadts,
wenn man mal den Bärensee außer Acht lässt, liegt Filderstadt bekanntlich recht weit vom nächsten größeren Gewässer entfernt. Das nächste Meer ist dann sogar über 1.000 km weit weg. Nichtsdestotrotz war Filderstadt in den letzten Jahren, was die wirtschaftliche Lage und die Haushaltslage angeht, in recht ruhigem Fahrwasser. Auch wenn Sie, Herr Braunmüller, mit Ihren mahnenden Worten schon dafür gesorgt haben, dass wir als Gemeinderat das städtische Geld nicht mit vollen Händen zum Fenster rauswerfen. Dennoch wurde an der einen Stelle erhöht, an der anderen Stelle zusätzliches Personal eingestellt und leider nicht mit gleichem Elan für wirtschaftliche Attraktivität und Einnahmensteigerungen gesorgt.
Das ruhige Fahrwasser scheint nun aber vorbei zu sein. Wir sind zwar noch nicht mitten im Sturm, aber die See ist schon rauer geworden. Am Horizont verdunkeln sich die Wolken. Wenn man von Investitionsentscheidungen gegen Deutschland, gegen Baden-Württemberg oder auch gegen Filderstadt liest und hört, wird deutlich, dass die Aussichten nicht mehr ganz so rosig sind. Wenn Firmen anfangen, sich Gedanken zu machen, ihren Firmensitz zu verlagern, ist es höchste Zeit entgegen zu steuern. Denn es sind nicht einfach nur Firmen, die wegziehen, sondern mit ihnen Gewerbesteuereinnahmen und Arbeitsplätze. Auch wenn man natürlich weiterhin die Hoffnung haben darf, dass der Sturm an uns vorbeizieht. So ist es doch wichtig, sich auf die rauere See vorzubereiten, um im Bedarfsfall gut durch den Sturm zu kommen.
Dazu gehört: das Ziel zu kennen, es fest im Blick zu haben und klar anzuvisieren. Wenn der Kurs erst mal gesetzt ist, gilt es ihn zu halten, auch wenn der Sturm tobt. All das nützt aber nichts, wenn man die Mannschaft nicht vom Ziel und dem Kurs überzeugen konnte und damit nicht mit an Bord hat.
Nun muss man sich in Filderstadt leider schon die Frage stellen, ob denn bereits das Ziel richtig gewählt wurde. Denn wenn man beispielsweise entgegen der Ziele von EU, Deutschland und Baden-Württemberg, was die Klimaneutralität angeht, meint man müsse hier besonders schnell sein, führt das bei einer sich eintrübenden Wirtschaftslage nicht unbedingt dazu, dass man den Kurs auf Dauer halten kann, geschweige denn die Mannschaft – also die Bevölkerung – mitnehmen kann. Beim gesetzten Kurs muss man zudem die Frage stellen, ob das Ziel und der Kurs präzise genug gewählt sind. Denn ist nun mit der Klimaneutralität Filderstadts bis 2032 gemeint, dass die Gesamtstadt klimaneutral wird oder nur die Stadtverwaltung? Oder will man es sich bewusst offenlassen, um nachher nicht darauf festgenagelt zu werden?
Auch wird im Haushaltsentwurf nicht wirklich deutlich, wo nun die zusätzlichen 4 Millionen Euro für die Klimaneutralität, wie sie der Oberbürgermeister bei der Haushaltseinbringung angekündigt hat, zu finden sind. Auch ist nicht klar, ob diese 4 Millionen Euro pro Jahr veranschlagt werden oder sich auf die 2 Jahre des Doppelhaushalts aufteilen. Aus unserer Sicht sollten wir dieses Ziel mindestens an das des Landes Baden-Württemberg, also einer Klimaneutralität bis 2040 angleichen. Denn bei unterschiedlichen Zielsetzungen kann man die dafür notwendigen Ressourcen – dazu zählt Geld, aber auch Personal oder Materialien für den Bau – nicht effizient und nachhaltig einsetzen.
Wasser ist auch so eine Ressource, mit der sparsam umzugehen ist. Deshalb wollen wir, dass bei künftigen städtischen Gebäudeplanungen die Verwendung von Grauwasser in Toiletten geprüft und in die Planung miteinbezogen wird. Auf der anderen Seite spielt Wasser auch beim Thema Klimafolgenanpassung und den damit verbundenen Hitzewellen eine wesentliche Rolle. Gerade für den älteren Teil der Bevölkerung und vulnerable Gruppen sind hier eine ausreichende Wasserversorgung und schattige Plätze enorm wichtig. Daher sollen im gesamten Stadtgebiet Wasserspender und beschattete Plätze eingerichtet werden.
Im Gegensatz zu den nicht auffindbaren 4 Millionen Euro für den Klimaschutz, sind die insgesamt 50 Millionen Euro Schuldenaufnahme, die in den kommenden zwei Jahren geplant sind, nicht zu übersehen. Nun werden wir bei allen notwendigen Investitionen zur Liquiditätssicherung zwar sicher nicht an einer Schuldenaufnahme vorbeikommen. Dennoch sollten wir sie aus unserer Sicht so gering wie möglich halten, um eine Schlagseite des Tankers Filderstadt zu vermeiden. Das gilt insbesondere bei den aktuell enorm gestiegenen Zinsen. Denn Nachhaltigkeit sollte nicht nur unter dem ökologischen Aspekt, sondern auch im finanziellen Bereich berücksichtigt werden, um nachfolgenden Generation noch Handlungsspielräume zu lassen.
So ist es uns wichtig zu überdenken, ob bei dieser Haushaltslage der Grunderwerb im Fokus stehen sollte. Deshalb beantragen wir die Mittel für den Grunderwerb zu reduzieren, um zwar Handlungsspielraum beizubehalten, jedoch nicht übermäßigen Grunderwerb auf Pump zu betreiben. Zudem möchten wir eine Übersicht an städtischen Flächen haben, um durch den Verkauf so mancher Grundstücke die notwendige Schuldenaufnahme zu reduzieren. Eine weitere Reduzierung der Schuldenaufnahme könnte zudem möglich sein, indem Filderstadt auf die Umlandkommunen zugeht, die ihre Schülerinnen und Schüler ans Elisabeth-Selbert-Gymnasium schicken, und diese an den Kosten zur Erweiterung der Schule finanziell beteiligt. Denn der Erweiterungsbau ist – nicht nur, aber auch – wegen der hohen Anzahl an auswärtigen Schülern notwendig. Dabei gibt das Geislinger Urteil, in dem es um die Kostenbeteiligung für die Sanierung einer Realschule in Geislingen ging, deutlichen Rückenwind für diese Mitfinanzierung.
Um nicht in finanzielle Schieflage zu kommen, müssen wir aber auch die Entwicklungsmöglichkeiten der Stadt in den Blick nehmen. Dazu zählen sowohl Flächen für den Wohnungsbau, damit auch nachfolgende Generationen hier noch Wohnraum finden, als auch Gewerbeflächen. Von beidem haben wir im Flächennutzungsplan – kurz FNP, der heute auch noch beschlossen werden soll, deutlich zu wenig. Auch wenn wir stets für mehr Flächen gekämpft haben, müssen wir unseres Erachtens endlich einen Knopf dranmachen und den FNP beschließen, um überhaupt mal zusätzliche Flächen ausweisen zu können.
Um den Entwicklungen aber Rechnung zu tragen und Abwanderungen zu verhindern, wollen wir über Ergänzungssatzungen zusätzliche Flächen ausweisen. So zum Beispiel in Bonlanden hinter der Firma Hugo Boss. Wenn man das Thema Nachhaltigkeit ernst nimmt, geht es aber auch darum unsere Flächen und die dazugehörige Erschließung möglichst effizient zu nutzen. Daher wollen wir die einseitige Bebauung in Sielmingen an der Reutlinger Straße sowie in Bernhausen an der Echterdinger Straße um eine einreihige Bebauung auf der freien Straßenseite ergänzen. In Bernhausen könnte die Bebauung dabei auch gleichzeitig einen Schallschutz bieten, sollte man den rückwärtigen Bereich je mal zu einem Bürgerpark weiterentwickeln.
Es braucht aber nicht nur Gewerbeflächen zur Erweiterung und Ansiedlung, sondern auch attraktive Rahmenbedingungen, damit sich Firmen ansiedeln und bestehende nicht die Segel setzen und abwandern. Deshalb darf es aus unserer Sicht auch keine Diskussionen um Steuererhöhungen, wie die Gewerbesteuer geben. Denn dass diese schon lange nicht erhöht wurde, darf kein Grund sein, die Unternehmen in nicht einfacher wirtschaftlicher Lage noch mehr zur Kasse zu bitten. Und um möglichen Diskussionen oder Überlegungen anderer Fraktionen vorzugreifen, möchten wir klarstellen: Auch das Versprechen der Aufkommensneutralität bei der Grundsteuer ab 2025 muss aus Sicht der FDP-Fraktion eingehalten werden.
Neben der wirtschaftlichen Perspektive muss Filderstadt auch attraktiver für Familien werden. Dazu gehört auch ein attraktives und vor allem verlässliches Bildungs- und Betreuungsangebot für Kinder. Um den Rechtsanspruch, der vom Bund ausgegeben wurde, auch umsetzen zu können, braucht es die nötige finanzielle und vor allem strukturelle Unterstützung von Bund und Land. Denn die Möglichkeiten der Stadt sind hier begrenzt. Aber in diesen Begrenzungen müssen auch wir als Filderstadt alles daransetzen, die Situation zu verbessern und dem Fachkräftemangel zu trotzen. Hier haben wir uns fraktionsübergreifend und gemeinsam mit der Stadtverwaltung auf einen guten Weg gemacht – sei es mit der Gesamtkonzeption Kindertagesbetreuung oder auch dem Forum zur Kindertagesbetreuung, bei denen eine breite Beteiligung stattfand. Auch die weitere Digitalisierung sowie Unterstützung der pädagogischen Fachkräfte durch Verwaltungs- und Hauswirtschaftskräfte kommt immer mehr in die Umsetzung, was von uns lange gefordert wurde.
Eine wichtige Säule darf man im frühkindlichen Bereich nicht vergessen: die Kindertagespflege. Die zusätzliche Unterstützung der Stadt über die Leistungen des Kreises hinaus, begrüßen wir ausdrücklich. Wichtig sind aber auch unbürokratisches und schnelles Handeln. Daher freut es uns, dass wir erst kürzlich Qualitätskriterien für die Einrichtung von TiagR-Gruppen – TiagR steht dabei für Kindertagespflege in anderen geeigneten Räumen – beschließen konnten. Damit dies aber zu einer wirklichen Beschleunigung führt, würden wir gerne einen Vorratsbeschluss fassen, dass eine Einrichtung genehmigt und unterstützt wird, sofern diese Qualitätskriterien erfüllt sind und die verlangte Miete ortsüblich ist.
Zu einer familienfreundlichen Stadt gehört aber nicht nur die Kinderbetreuung. Zu einer familienfreundlichen – aber auch für alle Generationen und Gesellschaftsgruppen – attraktiven Stadt gehört ein reiches Vereinsangebot. Dabei hat es das Ehrenamt in Vereinen bei der immer weiter zunehmenden Bürokratie nicht einfach. Nun haben wir als Kommune nicht die riesen Möglichkeiten die bürokratischen Hürden abzubauen. Eine Möglichkeit jedoch, das Vereinsleben und die Vereinsaufgaben leichter zu machen, ist die Digitalisierung. Nun können sich aber nicht alle Vereine, insbesondere die kleineren, das nötige Equipment dazu leisten. Zudem wird manches Equipment, wie beispielsweise ein Beamer, nicht allzu oft benötigt. Um es den Vereinen hier leichter zu machen, soll die Verwaltung den Vereinen eine kostenlose Ausleihe von IT-Equipment ermöglichen.
Im Bereich der Digitalisierung hat aber auch die Stadt selbst noch Nachholbedarf. Wir haben uns zwar mit einer Digitalisierungsstrategie auf einen guten Weg gemacht, insbesondere was die Infrastruktur angeht. Aber gerade bei der zunehmenden Digitalisierung ist es umso wichtiger, den Fokus auch auf die nötige Sicherheit zu legen. Deshalb soll extern geprüft werden, wie gut es um die IT-Sicherheit der Stadtverwaltung samt ihrer Eigenbetriebe bestellt ist und bei Bedarf ein Cyber-Sicherheitskonzept ausgearbeitet werden.
Eine zunehmende Digitalisierung bietet aber auch Chancen, dem Fachkräftemangel und der drohenden Ruhestandswelle entgegenzuwirken. Damit die Ruhestandswelle uns aber nicht überrollt, muss der Aufgaben-Transfer und die Digitalisierung frühzeitig geplant und angegangen werden. Denn es kann nicht so weiterlaufen, dass wir als Gemeinderat zwar immer wieder Kritik an neuen Stellen äußern, dann aber doch von Sitzung zu Sitzung immer wieder neue Stellen genehmigen. So enthält der anstehende Stellenplan 120 Bedienstete mehr als der Stellenplan 2022/2023. Das sind rund 66 Vollzeitstellen! Deshalb fordern wir eine Stellenneutralität. Das bedeutet: Für jede neu zu schaffende Stelle soll die Stadtverwaltung darstellen und soll beschlossen werden, welche Stelle dafür in den nächsten fünf Jahren wegfallen soll und wie die entsprechenden Aufgaben entfallen, automatisiert oder anderweitig kompensiert werden können.
Denn wenn die Mannschaft auf dem Schiff zu groß wird, stehen sich alle nur noch auf den Füßen. Wenn dann ohne Vorbereitung ein großer Teil der Mannschaft von Bord geht, dann funktionieren die Abläufe nicht mehr reibungslos und Aufgaben bleiben liegen. So kann man das Schiff weder seetauglich machen, noch aus einem möglichen Sturm heraus navigieren.
Auf der anderen Seite darf man die bestehende Mannschaft nicht mit Aufgaben überhäufen. Deshalb haben wir die Anzahl unserer Anträge sehr begrenzt und den Fokus auf finanzielle Entlastung des Haushalts und Effizienz der Verwaltung gelegt. Effizienter könnten wir zwar auch bei unseren ganzen Ausschüssen, Beiräten und Arbeitskreisen werden, aber bei den Haushaltsberatungen zum letzten Doppelhaushalt hatte sich ja schon gezeigt, dass es dafür leider keine Mehrheit hier im Gremium gibt. Aber das kann sich ja vielleicht bei der Kommunalwahl nächstes Jahr ändern.
Wichtig, wie eingangs erwähnt, ist jedenfalls, dass wir die Bürgerinnen und Bürger bei unseren Entscheidungen und Prozessen mitnehmen. Das gilt für alle politische Ebenen – von EU bis zur Kommune – und für alle Themen – von globalen Aufgaben wie dem Klimaschutz bis hin zu lokalen Herausforderungen wie Parkhäuser oder Sanierungsgebiete.
Abschließend wollen wir als FDP-Fraktion daher Danke sagen. Danke an die Bevölkerung fürs Mitmachen, fürs Beteiligen und auch für die kritische Bewertung der Gemeinderatsentscheidungen. Danke möchten wir auch den anderen Fraktionen sagen, für das gute Miteinander zum Wohle unserer Stadt. Bei allen politischen Differenzen, funktioniert das Zwischenmenschliche und auch bei den großen Themen ziehen wir meist an einem Strang. Danke dabei auch an den Jugendgemeinderat, der immer wieder neue und gute Ideen sowie Impulse einbringt und die Stimme der Jugend in Filderstadt stärkt.
Bedanken möchten wir uns als FDP-Fraktion auch bei der Stadtverwaltung und der Verwaltungsspitze für die gute und konstruktive Zusammenarbeit.
Zum Schluss möchte ich mich noch bei meiner eigenen Mannschaft ganz herzlich bedanken. Liebe Jutta, lieber Jörg, vielen Dank Euch für die großartige Zusammenarbeit, die ertragreiche Antragserarbeitung und vielen Dank für Euren unermüdlichen Einsatz in Euren Themenbereichen und weit darüber hinaus.
Ihnen allen eine schöne Vorweihnachtszeit, frohe Weihnachten und einen guten Start ins neue Jahr – hoffentlich ohne Sturm und mit einem wetterfesten und voll besetzten Schiff, das auf Kurs zum richtigen Ziel ist.